Siegfried
Pater
"Brücken
zwischen Ost und West"
René Böll
fühlt sich in der jahrtausendealten Tradition der Malerei
stehend und glaubt, daß es für Malerei kein Ende und
keinen Ersatz gibt.
Er vergleicht die Kunst
des Malers mit der eines Pianisten: "Man muß die Feinheiten
der Maltechnik so verinnerlichen, daß man sie dann frei
gebrauchen kann." Dies bedeute für ihn, daß der
Künstler nicht nur den richtigen Pinselstrich beherrscht,
sondern auch über chemische und physikalische Eigenschaften
der verschiedenen Substanzen Bescheid weiß. "Ölfarbe
trocknet zum Beispiel durch Aufnahme von Sauerstoff, nicht durch
Verdunstung. Bleichweiß trocknet an einem Tag, andere Farben
brauchen zwei Wochen und länger." Daher
malt Böll an bis zu 40 Bildern gleichzeitig, um die Trocknungszeiten
einzuhalten und die spezifischen Wirkungen der einzelnen Farbstoffe
jeweils optimal zum Tragen zu bringen. Er bevorzugt Erdfarben,
Öl und Ei und verfügt über eine Vorrat von über
150 Farben. Für ein Bild braucht er davon zwischen dreißig
und hundertfünfzig Farben.
Seine Leinwandbilder
sind in einer aus verschiedenen Grundstoffen wie Ei, Wachsseife,
Kasein, Haren und Gummi Arabicum, zusammengesetzten Tempera gemalt,
diese Malerei wurde stellenweise mit Ölfarben übermalt
und mit einem Bienenwachsüberzug versehen. In Bölls
Bildern spielt die Lasur, das Übereinanderlegen verschiedener
durchsichtiger Schichten, eine große Rolle. Durch die Lasur
kann die additive und subtraktive Farbmischung wie in keinem anderen
Medium verbunden werden.
Die Pigmente werden jeweils
frisch mit Tempera angerieben und direkt vermalt. Verwendet wurden
nur natürliche Erden, gemahlene Mineralien wie Pyrit, Vivianit,
oder künstliche Metallverbindungen. Nur in einigen wenigen
Ausnahmefällen, in denen kein einigermaßen haltbares
anderes Pigment zur Verfügung steht, Teerfarbstoffe, die
aber durch Mischung mit anderen Pigmenten den Pflanzenfarben,
die in sich ein großes Spektrum haben und nicht so "schrill"
sind, wie die meisten heute in Industrie, Werbung und Kunst verwendeten
Farben, ähnlich werden."
Im weltoffenen Elternhaus
mit verschiedensten Anregungen konfrontiert, beeinflußte
ihn schon in der Kindheit die urwüchsige Landschaft Irlands,
wo die Familie Böll ein kleines Haus bewohnte. Auch später
führten René Bölls Reisen meist in Gegenden mit
unverwechselbar kraftvollen landschaftlichen Habitus: Ecuador,
Bolivien, Galapagos-Inseln, Kenia. Die
Urgewalten der Landschaften finden auch Eingang in René
Bölls Bilder. Pflanzen, Tiere, Menschen sucht der Betrachter
meist vergebens. Gebirge, Steine, dies alles ist für Böll
voller Leben. "Für mich ist ein Maler der steinzeitlichen
Malerei, der vor zwanzig- oder dreißigtausend Jahren gelebt
hat, so gegenwärtig wie die heutige westliche und auch die
jahrtausendalte östliche Malerei oder wie die sogenannte
primitive Kunst anderer Völker."
René Böllïs
Bilder laden ein zu Entdeckungsreisen durch Raum und Zeit. Die
Landschaften sind einerseits nachvollziehbar in ihrer Gegenständlichkeit,
andererseits auch Landschaften des Geistes. Wir sehen keine Menschen.
Doch diese Leere ist nur Schein. Wir, die Betrachter, füllen
sie, wenn wir die Entdeckungsreise beginnen.
"Ost ist Ost - West
ist West, die beiden treffen nie zusammen." Mit diesem Zitat
von Rudyard Kipling leitete Volker Böhm, Kulturreferent der
deutschen Botschaft in China am 25.3.96 in Peking die Eröffnung
der Ausstellung von René Böll ein. Dem deutschen Maler
und Graphiker aber sei es "mit der großartigen Ausstellung
gelungen, einen herausragenden Beitrag zum kulturellen Austausch
zwischen Deutschland und China" zu leisten.
Mehr als 500 höchst
interessierte Menschen aller Alters- und Berufsgruppen kamen zur
Ausstellungseröffnung, darunter viele Maler und auch der
frühere Kultusminister Chinas, Wang Meng. René Böll,
kein Mann der großen Worte, dankte mit leiser Stimme, daß
sein lange gehegter Traum, in China seine Arbeiten, die zur Hälfte
in chinesischer Tuschmaltechnik entstanden sind, ausstellen zu
dürfen, in Erfüllung ging. Gerade seine Beschäftigung
mit der Maltechnik alter chinesischer Tradition bat er "als
ein Kompliment für China zu sehen und als Dank an China,
den ich damit ausdrücken will, weil meine Arbeit China sehr
viel zu verdanken hat."
Bevor das in China bei
Ausstellungseröffnungen übliche Ritual der Zerschneidung
eines roten Bandes den Rundgang zur Betrachtung der insgesamt
über 100 Werke freigab, betonte Volker Böhm, bezugnehmend
auf seine einleitenden Worte, "wohl noch nie hatte ein deutscher
Kulturreferent in China Anlaß, eine nachhaltige Widerlegung
des Diktums von Kipling präsentieren zu können."
René Böll
hat nicht nur eine kulturelle Brücke geschaffen, vielmehr
noch, er hat das Handwerk und die Seele der chinesischen Tuschmalerei
erlernt bzw. ergründet. Somit ist er einer der ganz wenigen
westlichen Maler, die sich in diese fremde Welt östlicher
Kunst begeben. Aber er ist nicht in Nachahmung verharrt, wie es
der große chinesische Kunstkritiker Lao Zhu betont: "Bölls
Pinselbenutzung kann man nicht mit chinesischen Kriterien beurteilen,
so wie man die Melodie eines Pipa-Stückes nicht mit einem
europäischen Piano-Spiel vergleichen kann." Die Benutzung
der Tusche von Böll "erzeuge Licht und Farbe",
darin unterscheiden sich seine Arbeiten von der chinesischen Tusch-
und Pinselbenutzung.
"René Bölls
Pinseltechnik kommt aus dem Unterirdischen, er sieht die Höhle
eines geheimnisvollen Geistes, ein Skelett, verdeckt unter Wellen,
im Berghang, in Hügeln, auf der Erde, oder im Schatten des
Sonnenlichts."
Nur
durch jahrelange Beschäftigung mit der chinesischen Malerei,
mehreren Besuchen chinesischer Maler und der Beschäftigung
mit Meditation, mit Tai Chi Chuan, dem sogenannten Schattenboxen
und der daoistischen Gymnastik, Qi Gong, ist es Böll gelungen,
in Kunstkreisen Chinas uneingeschränkt akzeptiert zu werden.
Der bekannteste Kunstkritiker Chinas, Liu Xiaochun fühlt
"seinen starken Wunsch, tief in den Geist der chinesischen
Kultur einzudringen und ihn zu erfassen." Diese Haltung unterscheide
sich völlig von der anderer Künstler, die sich mit fernöstlicher
Kunst befaßten. "Künstler wie Hans Hartung, Franz
Kline, Robert Motherwell, Henri Matisse, Joan Miró, Jackson
Pollock, Pierre Soulages, Antonio Tàpies und andere benutzen
die fernöstliche Kunst als eine Art Steinbruch", so
Liu Xiaochun, "befaßten sich aber kaum mit der Tuschtechnik
und den philosophischen Hintergründen."
Aber auch die großen
Ölbilder zeugen von Berührungspunkten mit der chinesischen
Malerei. Sie strahlen Ruhe und Einsamkeit, Ehrfurcht vor der Natur
aus. Erdige Farben gehen über in himmlisches Hell. Leere
Landschaften, die eine Kunststudentin so kommentierte: "Der
Mensch würde stören, so wie er das Gleichgewicht der
Natur stört." Und ein älterer Betrachter sah "die
Verschmelzung des Kosmos."
Die ruhige, tiefsinnige
Bildersprache Bölls wurde verstanden. In Gedanken versunken
verharrten die Besucher minutenlang vor seinen Werken.
In Jinan, Weifang und
Xian folgten weitere Ausstellungen, die das große Interesse
an Bölls Kunstwerken betonten. Über 1.000 Personen waren
allein in Jinan bei der Eröffnung, mit 10.000 Besuchern insgesamt
war es eine der erfolgreichsten Ausstellungen der letzten zehn
Jahre. Es war die erste überhaupt eines Ausländers in
der dortigen Kunsthalle. Das Interesse in Weifang war ähnlich
groß. René Böll sprach in einem Seminar vor
den begeisterten Kunststudenten der Akademie über die unterschiedliche
Ausbildung in Deutschland und China.
15 Professoren, Maler,
Kritiker lobten in Xian das hohe Niveau der Arbeiten von René
Böll und luden ihn zu einem mehrmonatigen Aufenthalt in die
Akademie für feine Künste und in das Shaanxi-Institut
für chinesische Malerei ein, in dem einige der bekanntesten
Tuschmaler Chinas arbeiten.
(c)Copyright Siegfried Pater
Link:
http://www.siegfried-pater.de
|